Published On: 4. Juli 2023Categories: Aktuelles, News

Fachkräfte der Sozialen Arbeit geraten fast täglich an ihre Grenzen, das kann seitens der Klienten, den Trägern oder auch sich selbst passieren. Dem Gedanken folgend „Hilfe orientiert sich am Hilfebedarf“, fällt es zunehmend schwerer, professionell der Arbeit nachzugehen.

Alles beginnt mit einer Entschuldigung und einem tiefen Dank. Immer wieder, Tag für Tag, jeder Mensch, der mit anderen Menschen im sozialen Bereich zu tun hat, kommt irgendwann an seine Grenzen. Oft mit Scham besetzt, sprechen die Mitarbeiter selbst nur wenig über die Probleme. Supervision – ein Mythos. Selbst wenn, wer möchte denn schon erzählen, dass er Gefühle hat und trotz aller Professionalität gerade echt mit den Nerven runter ist.

Menschenarbeiter:innen

Dabei möchte ich den Begriff des Menschenarbeiters verwenden, auch wenn unterschiedliche Ausbildungen zu verschiedenen Labels führen, bleibt der Gegenstand unserer Arbeit der Mensch. Wir sind also Menschenarbeiter, zugegeben mit differenzierten Aufträgen und Entlohnungen.

Burnout oder Erschöpfungszustände im Sozialen

Eine Beschreibung der Wirklichkeit, keinesfalls despektierlich, sondern mit aller Hoffnung und Glauben an die Soziale Arbeit und letztlich die Menschenarbeit.

Langsam ist es an der Zeit den „grünen Tisch“ zu verlassen und die Dinge beim Namen zu nennen. Weg von der Wissenschaft und Augenwischerei: die Arbeit mit Menschen verstört, verletzt, bedarf guter Nerven und niemand sollte für immer die Augen davor schließen. Jeder Menschenarbeiter soll aber wissen, dass er nicht allein ist. Wir erleben es alle, Lügen, Betrügen, Trauer, Wut und nicht zu vergessen: Hoffnung und Erfolg. Und an dieser Stelle ein tiefer Dank an alle Menschenarbeiter, die mich an ihrem Leben und Geschichten haben teilnehmen lassen.

Verschiedene Fernsehformate lassen wieder und wieder die Abgründe des Sozialen Bereichs aufblitzen, die Zuschauenden können sich ergötzen und laut feststellen „so bin ich aber nicht.“ Das stimmt wahrscheinlich auch. Aber nach Sokrates, sagt die Bewertung nicht mehr über den Bewerter, als über den Betrachteten?

In der Theorie wird der mitarbeitende Klient vorgestellt, in der Praxis kann dies ganz anders aussehen. Was könnten denn die Fälle der Menschenarbeiter sein:

Grob zusammengefasst: Alle Menschen, die vorrübergehend oder dauerhaft nicht im gesellschaftlichen Sinne funktionieren. Heißt was? Jeder, dessen Seele mal zu für einen Moment weich wurde, jeder der momentan nicht in das Raster „funktionsfähig“ passt.

Ein paar mögliche Beispiele:

  • Menschen mit psychischer Erkrankung, die zuweilen stark medikamentiert werden und aus Kliniken mit den Worten „auf Bald“ entlassen wurden.
  • Familien, die zerbrechen, Kinder, die durch Scheiben „geflogen“ werden und am Ende die Eltern das Sorgerecht wiederbekommen.
  • Demenzerkrankte, die gerade mal eben ihre eigenen Partner und Kinder kaum erkennen, noch irgendwas mit dieser Welt anfangen können.
  • Jugendliche, die von ihren Eltern oder Freunden gelernt haben, was mit körperlicher Gewalt und Missbrauch alles zu erreichen ist.
  • Erwachsene, die nach akutem Burnout oder nachhaltigeren Erkrankungen zunächst wieder Arbeit aufnehmen sollen.
  • Abhängige, die evtl. weiterhin erheblichen Suchtdruck erleben.

In Ausbildung und Studium finden sich Triple Mandat, Teufelskreise und Abgrenzung. Unterschiede werden manifestiert, ein Erzieher ist halt „bloß“ ein Erzieher, der Sozialarbeiter hat studiert und ganz zu schweigen von wirklich guten Jobs wie Psychotherapeut und Psychologen. Eine Vielzahl an Ehrenamtlichen flankiert das Geschehen.

Und so sitzen wir alle in einem Boot, der soziale Bereich soll helfen, wo er evtl. nicht helfen kann. Schon 2017 arbeiten ca. 1.5 Mio. (IAB) Menschen angestellt im Sozialen Bereich. Die Süddeutsche Zeitung titelte mal „Der Soziale Bereich die Resterampe der Berufswelt“. Wen wundert das bei einem Einstiegsgehalt im Durchschnitt von gerade mal 2.000€ brutto. Bis 2025 fehlen laut Vorhersage ca. 260.000 Pfleger, schon 2011 gab es rund 30.000 Erzieher und Tagesmütter zu wenig. Weit über 50% der Mitarbeiter im Sozialen Bereich haben bereits heute keine entsprechende Ausbildung. Und so könnte es weitergehen…

Tief in seinem Inneren schwant jedem Menschenarbeiter zwar die Möglichkeit, dass er warten müsste, bis die Hölle gefriert, bis die Dinge beim Namen genannt und Abhilfe geschaffen wird, aber Menschenarbeiter haben ein geduldiges Wesen und sind von eher optimistischer Natur.

Um mal die Worte einer zurzeit recht populären Bewegung zu nutzen, es ist an der Zeit

  • aufzuwachen,
  • hinzusehen und
  • die Dinge beim Namen zu nennen.

Mal zur Inspiration: der ökologischer Fußabdruck ist wichtig, aber für wen „retten“ wir diese Welt, wenn der soziale Fingerabdruck, eher einer ethischen Beruhigung und dem sozialen Gewissen dient, als der tatkräftigen Abhilfe von sozialen Herausforderungen?

Die fünf häufigsten Anzeichen von Burnout – ein paar Fragen:

  • Erschöpfung
    Fühlen Sie sich in letzter Zeit manchmal innerlich leer oder sind Sie oft erschöpft?
  • Überlastung
    Haben Sie den Eindruck, dass der Alltag oder die Arbeit Sie überfordert?
  • Zeitdruck
    Haben Sie genügend Energie für Familie und Freunde in Ihrer Freizeit?
  • Gedankenkreiseln
    Haben Sie häufiger als früher düstere Gedanken oder weinen Sie mehr?
  • Nervosität
    Sind sie vermehrt nervös, reizbar oder haben Schlafstörungen?
  • Konzentrationsmangel
    Können Sie sich nicht mehr so gut konzentrieren oder vergessen Sie öfter mal etwas?

Eigentlich ist eine gewisse „Faulheit“ ein effektives Programm der Natur, um uns in stressigen Zeiten zur Ruhe zu „zwingen“. Allerdings waren diese Programme einstmals dafür gedacht, für die nächste Jagd wieder Kräfte zu sammeln. Heute hält sich das Jagen wohl eher in Grenzen. Dieses Programm kann allerdings in der heutigen „verwöhnten“ Zeit sehr mächtig werden. Besonders, da die heutigen Herausforderungen eher geistiger Natur sind.

Self-Care – kleines Notfallset für die Psychohygiene:

Keine Zeit

Das wohl beliebteste Argument. Tatsächlich haben die Menschen heutzutage relativ wenig Zeit. Neben dem Vollzeitjob muss man noch einkaufen, sich um die Familie kümmern und so allerlei Freizeitverpflichtungen erfüllen. Auch wenn man manchmal wirklich etwas Zeit für sich braucht, sollten sich Bewegung und freie Zeit zumindest abwechseln. Hier hilft Aktivitäten in einen festen Wochenplan einzubinden. Für viele hat sich Montag, Mittwoch und Freitag bewährt. Aber auch jede andere feste Verteilung ist sinnvoll.

Keine Lust

Die Lust kommt beim Tun, hat schon immer „Oma“ gesagt. Hört sich zwar etwas platt an, ist aber oft so. Allein das gute Gefühl beim Duschen nach dem Sport, hätte man so nicht gehabt. Ein einfacher Trick ist es, sich zu verabreden oder feste Termine zu haben.

Keinen Mut

Nützt nichts, höre ja doch wieder auf, das bringt doch nichts… Beliebte Ausreden, wenn der Mut fehlt. Egal, fangen Sie an. Einmal ist mehr als Keinmal.

Self-Care – Erste Hilfe gegen den inneren Schweinehund

Um den inneren Schweinehund zu besiegen, benötigt man einen Plan. Anbei ein kurzes „Selbstcoaching“ mit dem Sie planvoll zum Ziel kommen.

Tipp 1

Klären Sie, was wirklich getan werden muss

Es ist ungleich schwerer anzufangen bzw. durchzuhalten, wenn Sie z. B. gerade den Job oder die Wohnung wechseln oder Stress in Ihrer Beziehung haben. Es ist aber nicht unmöglich. Prioritäten setzen heißt die Lösung.

Tipp 2

Finden Sie heraus, was Sie persönlich motiviert und nutzen Sie es

Jeder hat seine persönliche Motivation, gleich ob es Geld oder Anerkennung, Herausforderung oder Gemeinschaft o. ä. ist.

Wenn Sie es wissen, dann orientieren Sie sich daran.

Tipp 3

Motivation durch Visualisierung

Stellen Sie sich vor Ihrem geistigen Auge vor, wie und dass Sie die Aufgabe mit Freude und Engagement erledigt haben. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf, malen Sie sich aus, wie es sich angefühlt hat, wie Stolz Sie waren, was andere zu Ihnen sagen… Nutzen Sie dieses Gefühl für Ihre Motivation.

Tipp 4

Achten Sie auf Ihre inneren Programme

Reden Sie sich auf keinen Fall ein, dass Sie etwas nicht schaffen können. Das ist eine negative Form der Autosuggestion.

Tipp 5

Motivieren durch Belohnungen

Das Belohnungssystem funktioniert seit unserer Kindheit. Auch im Erwachsenenalter kann man es nutzen. Stellen Sie sich selbst Belohnung für erfüllte Aufgaben in Sicht, suchen Sie sich Dinge aus, die Sie wirklich gern haben oder tun würden. Schreiben Sie es sich auf.

Aber Achtung: Betrügen Sie sich nie um Ihre Belohnung. Was Sie sich versprochen haben, muss auch eingehalten werden.

Tipp 6

Schaffen Sie sich künstlichen Zeitdruck

Nur wenige Menschen haben das Glück, Dinge von sich aus immer sofort zu erledigen – viele andere brauchen einen gewissen Zeitdruck, um zu agieren.

Nutzen Sie diese Motivation und setzen Sie sich selbst Termine. Tragen Sie diese Termine (wie alle anderen Termine auch) in einen Kalender ein.

Selbstgesetzte Termine können die gleiche Wirkung, wie Termine von außen haben.

Tipp 7

Täglich einen Zeitplan erstellen

Kennen Sie das, je mehr freie Zeit, desto schwieriger wird es Dinge zu erledigen? Gerade im Urlaub erleben viele Menschen ein Phänomen, dass trotz der vielen freien Zeit mehr Dinge liegenbleiben. Auch wenn einfach mal „faul“ sein zur Erholung gehört, sollte dennoch die To-do-Liste hierunter nicht dauerhaft „leiden“.

Erstellen Sie sich morgens einen Zeitplan, inkl. Aufgaben, Dauer und Pufferzeiten. Versuchen Sie, „unangenehme“ Dinge möglichst zuerst zu erledigen, streichen Sie die erledigten Aufgaben ab und übertragen Sie unerledigte Dinge auf den nächsten Tag.

Tipp 8

Feiern Sie sich

„Nicht geschimpft ist gelobt genug“, ein unsägliches Zitat vieler Arbeitgeber. Motivation ist aber direkt an Anerkennung gekoppelt. Wird eine Leistung auf Dauer nicht anerkannt, schwindet wahrscheinlich auch die Motivation.

Der „einfachste“ Weg ist, sich selbst zu loben. Feiern Sie Ihre Leistung. Hört sich erst mal etwas skurril an, funktioniert aber.

Tipp 9

Und wenn alles nichts hilft

Es gibt Tage, an denen kein Tipp hilft, nichts motiviert. Dann ist es evtl. besser, einfach mal nichts zu machen. Wenn möglich gehen Sie früher, machen Sie etwas gänzlich anderes. Erlauben Sie sich eine Auszeit, ganz ohne schlechtes Gewissen.

Tipp 10

Positives Denken

Ein paar kurze Übungen zum positiven Denken:

Meine Viertelstunde

Nehmen Sie sich jeden Morgen, noch vor dem eigentlichen Aufstehen, 15 Minuten Zeit für sich. Machen Sie in dieser Zeit etwas Schönes und das ungestört und nur für sich. Überlegen Sie: Wie wird dieser Tag werden? Was wird wohl geschehen?

Spielen Sie den Tag schon einmal durch und überlegen sich, was Sie dafür tun können, damit es für Sie ein toller Tag wird. Mit einiger Übung werden Sie feststellen, wie oft wir schon etwas Negatives vom Tag erwarten. Solche Gedanken ändern sich allerdings, indem Sie sich fragen, was Sie tun können, um einen positiven Tag zu haben.

„Mach es noch einmal”

Diese Übung hilft, nicht wieder in den alten „Trott“ zu verfallen oder einen Misserfolg zu erleben.

Ziehen Sie die Notbremse, halten Sie inne und gehen gedanklich nochmal zum Beginn der Situation. Fangen Sie von vorne an und überlegen Sie sich, was Sie hätten anders machen können. Spielen Sie auch diese Situation bis zum Ende durch. Wenn Sie eine zufriedenstellende Lösung gefunden haben, dann setzen Sie sie in die Tat um.

„Jetzt oder nie”

Der Mensch neigt dazu, unangenehme Situationen/Dinge zu verschieben; plötzlich ist alles andere wichtiger. Gehen Sie auch diese Dinge an. Erledigen Sie erst alle wichtigen anderen Aufgaben und bringen Sie sich dann in „Topform“ für die bevorstehende Aufgabe.

Wenn Sie auch das alles gut vorbereitet haben, dann geben Sie sich bitte den inneren Ruck. Feuern Sie Ihren inneren Startschuss ab. Sagen Sie sich 11 mal hintereinander: „Jetzt oder nie”, und beim 12. Mal sagen Sie laut und fast befehlsmäßig „Jetzt!” – und dann machen Sie das, was Sie machen müssen. Sie werden feststellen, Sie machen, was Sie sich vorgenommen haben.

Zur Erläuterung: Untersuchungen haben ergeben, dass ein Mensch, der eine unangenehme Aufgabe angehen will, ungefähr zwölf bis fünfzehn Sekunden braucht, um sich zu überwinden. Das gewohnte „bis drei zählen” reicht also rein zeitlich nicht aus. Sie können diese 12-Sekunden-Zeitspanne der Übung “Jetzt oder nie!” zum Überwinden auch bei anderer Gelegenheit einmal testen. Zum Beispiel beim Sprung vom 10-Meter-Brett im Schwimmbad oder in einer anderen Situation, bei der es nötig ist, dass Sie eine mentale Blockade oder einfach nur den „inneren Schweinehund” überwinden müssen.

Titelbild Quelle: Foto von Nataliya Vaitkevich: https://www.pexels.com/de-de/foto/ausbrennen-mude-arbeitnehmer-mitarbeiter-6837644/

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