Published On: 12. Mai 2024Categories: Aktuelles, Soziale Arbeit

Im Kontext von Social-Media wird die Theorie der psychosozialen Entwicklung von Erik Erikson zu einem wertvollen Werkzeug, um zu verstehen, welche Elemente Einfluss auf die Identität haben können. Besonders digitalisierte Generationen, die in der Phase der „Identität vs. Rollenkonfusion“ stehen, bieten soziale Netzwerke eine Bühne und gleichzeitig ein Schlachtfeld, auf dem die Identitätsbildung stattfindet. Jeder Post, jedes Like und jeder Follower wird zu einem wichtigen Baustein im Bauwerk der persönlichen Identität.

Digitale Identitätsformation nach Erikson

Erikson beschrieb die Jugend und das junge Erwachsenenalter als eine kritische Zeit für die Entwicklung eines kohärenten Selbstbildes. Die moderne Version dieses Entwicklungsprozesses spielt sich zunehmend auf Plattformen wie Instagram, TikTok und Facebook ab, wo das Feedback der Community sofort sichtbar und messbar ist. Diese unmittelbare Rückmeldung kann eine verstärkende Wirkung auf das Selbstwertgefühl haben, bringt jedoch auch Risiken mit sich.

Der Einfluss sozialer Medien auf die Selbstwahrnehmung

Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen in der Art und Weise, wie Identität auf sozialen Medien geformt wird, folgt dem Motto: „Wenn es von etwas kein Foto gibt, habe ich es auch nicht erlebt.“ Diese Mentalität spiegelt eine tiefgreifende Verschiebung in der Wahrnehmung von Realität und Erlebnis wider. Das Bedürfnis, Erlebnisse online zu dokumentieren und zu teilen, ist nicht nur ein Wunsch nach Anerkennung, sondern auch ein Versuch, die eigene Existenz zu validieren. Diese Art der Selbstdarstellung kann die Grenzen zwischen authentischem Erleben und der Performance für ein Publikum verwischen.

Die Herausforderungen der digitalen Identitätskrise

Die Abhängigkeit von externer Bestätigung kann Menschen dazu veranlassen, ihr wahres Selbst zu verbergen oder zu modifizieren, um online eine bessere Figur zu machen. Diese Anpassungen können zu einer Diskrepanz zwischen der Online-Identität und dem realen Selbst führen, was genau das Dilemma ist, das Erikson als Rollenkonfusion beschrieb. Diese Konfusion wird verstärkt durch die ständige Verfügbarkeit und den Druck, auf sozialen Netzwerken präsent und aktiv zu sein.

Generationenunterschiede in der Identitätsentwicklung

Während ältere Generationen meist ihre Identität durch direkte, oft langsamere und weniger öffentliche Interaktionen formten, sind digitale Generationen tief in eine Welt eingetaucht, in der digitale Interaktionen und sofortige Rückmeldungen die Norm sind. Diese Entwicklung hat nicht nur die Art und Weise verändert, wie junge Menschen sich selbst sehen, sondern auch die Art und Weise, wie sie ihre Beziehungen und ihr Verständnis von Gemeinschaft gestalten.

Zukunftsorientierte Betrachtungen

Die entscheidende Frage ist, wie eine Umgebung geschaffen werden kann, die es jungen Menschen ermöglicht, die Vorteile sozialer Medien zu nutzen, ohne ihre Identitätsentwicklung zu gefährden. Es geht darum, Wege zu finden, Authentizität zu fördern und ein gesundes Maß an Selbstbestätigung zu ermöglichen, das nicht ausschließlich von digitalen Reaktionen abhängt.

Die Reflexion über diese Dynamiken und ihre Auswirkungen ist entscheidend für das Verständnis der heutigen sozialen Strukturen und bietet eine Chance, eine bewusstere und authentischere digitale Landschaft zu gestalten. In dieser neuen Ära der Identitätsbildung müssen wir sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen, die soziale Medien mit sich bringen, sorgfältig abwägen.

Auch das zählt zur Aufgabe von Sozialarbeit. Es gilt einen besonders sensiblen und offenen Umgang damit zu finden, aber ebenso Maßnahmen, um eine gewisse Realitätsnähe zu bewahren.

Fotoquelle: Dall-E

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