Published On: 26. Mai 2024Categories: Soziale Arbeit

In einer vernetzten Gemeinschaft, wo die Anzahl der Likes, Kommentare oder sogar das Fehlen einer Reaktion täglich über unser digitales Wohlbefinden entscheiden kann, nehmen die Kommunikationstheorien von Paul Watzlawick und Friedemann Schulz von Thun eine neue, dringende Bedeutung an. Diese Theorien, die in einer Ära vor der Existenz von Social-Media entwickelt wurden, bieten tiefe Einblicke in die subtilen Dynamiken, die unsere Online-Interaktionen prägen.

Die Unvermeidlichkeit der Kommunikation

Nach Paul Watzlawick ist es unmöglich, nicht zu kommunizieren. Jede Handlung oder Unterlassung sendet eine Botschaft. Wenn jemand also einen Beitrag auf Instagram sieht und beschließt, nicht darauf zu reagieren, während er aktiv andere Inhalte likt, sendet er eine sehr spezifische Botschaft. Diese Form der Nichtreaktion kann beim Ersteller des Beitrags Gefühle der Unsichtbarkeit oder Ablehnung auslösen, was in der digitalen Welt häufig vorkommt, im echten Leben jedoch weniger oft in dieser Intensität erlebt wird.

Das Kommunikationsquadrat auf sozialen Medien angewandt

Friedemann Schulz von Thuns Kommunikationsquadrat hilft, jede Nachricht in vier Schlüsselebenen zu zerlegen: Sach-, Beziehungs-, Selbstkundgabe- und Appellebene. Mal ein Beispiel für die Anwendung auf einen Social-Media-Post:

  • Sachebene: Ein Bild von einem Essen in einem (bekannten) Restaurant.
  • Beziehungsebene: Der Post kann als eine Art Einladung an Freunde und Follower gedeutet werden, sich gemeinsam über das Essen zu freuen.
  • Selbstkundgabeebene: Die Person zeigt sich als jemand, der gutes Essen und vielleicht auch einen gewissen Lebensstil schätzt.
  • Appellebene: Vielleicht sucht die Person Anerkennung oder möchte einfach ihre Freude teilen.

Realwelt-Parallelen: Wenn das Online-Verhalten greifbar wird

Stellen Sie sich vor, Sie präsentieren stolz Ihr Abendessen in einem geselligen Kreis, und niemand äußert sich dazu – es wird einfach ignoriert. In der realen Welt könnte dies als äußerst unhöflich oder verletzend wahrgenommen werden. Online wird diese Art der Nichtreaktion oft normalisiert, obwohl die emotionale Wirkung ähnlich sein kann.

Gefühle und digitalen Ignoranz

Das ständige Überprüfen von Benachrichtigungen und das Warten auf Anerkennung durch Likes und Kommentare kann süchtig machen und emotional zermürbend sein. Insbesondere wenn Freunde aktiv sind und die Posts konsequent ignorieren, kann dies zu Selbstzweifeln führen. Diese digital verstärkten Gefühle von Ablehnung und Isolation sind besonders problematisch für Nutzer, deren Selbstbild eng mit ihrer Online-Präsenz verknüpft ist.

Ein Aufruf zu bewussterer Online-Interaktion

Als Mitglieder dieser digitalen Gemeinschaft liegt es in unserer Verantwortung, unsere Online-Interaktionen bewusst zu gestalten. Indem wir die Prinzipien von Watzlawick und Schulz von Thun anwenden, können wir unsere digitale Kommunikation verbessern und eine unterstützende, empathischere Online-Umgebung schaffen. Jeder hinter dem Bildschirm freut sich über ein kleines Zeichen der Anerkennung. Wenn Sie das nächste Mal durch Ihre Timeline scrollen, nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um über Ihre Reaktionen nachzudenken. Es könnte das digitale und reale Leben eines anderen bedeutend bereichern.

Gerade in der Sozialarbeit wird diese Nichtkommunikation vermehrt zum Thema. Allerdings geben die Klienten dies nicht gerne zu oder es ist ihnen nicht bewusst. Professionelle Sozialarbeit bedeutet auch die virtuelle Welt mit einzubeziehen.

Fotoquelle: Dall-E

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