Ab August 2026 tritt in Deutschland ein Meilenstein der Bildungs- und Familienpolitik in Kraft: der bundesweite Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter. Dieser Anspruch gilt zunächst für die Erstklässler und wird bis 2029 auf alle Kinder der Klassen 1 bis 4 ausgeweitet(BMFSFJ).
Dies ist eine bedeutende Weiterentwicklung des Bildungssystems, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern und die Chancengleichheit von Kindern fördern soll. Doch die Einführung bringt nicht nur Chancen, sondern auch erhebliche Herausforderungen für die Soziale Arbeit, insbesondere im Hinblick auf das Fachkräftegebot.
Was bedeutet der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung?
Das Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG), das 2021 beschlossen wurde, garantiert ab 2026 den Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung von Grundschulkindern. Dies bedeutet, dass die Kinder acht Stunden pro Tag betreut werden müssen, einschließlich Unterrichtszeit (FAMILIENPORTAL.NRW).
Für die Soziale Arbeit hat dies weitreichende Konsequenzen, da nicht nur Betreuungsangebote, sondern auch qualitativ hochwertige Bildungs- und Freizeitangebote gefordert werden. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter müssen eng mit Schulen und weiteren Akteuren wie der Jugendhilfe und lokalen Vereinen zusammenarbeiten, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden.
Fachkräftemangel – Eine große Herausforderung
Eine der größten Herausforderungen, die sich durch den Rechtsanspruch ergibt, ist der bestehende Fachkräftemangel im sozialen Sektor. Bereits heute mangelt es in vielen Bereichen der Sozialen Arbeit an qualifiziertem Personal. Dieser Mangel könnte durch die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung weiter verschärft werden (BMFSFJ). Laut aktuellen Studien gibt es einen erheblichen Bedarf an zusätzlichen Fachkräften, um die neuen Anforderungen zu erfüllen. Schätzungen zufolge müssen deutschlandweit über 800.000 neue Ganztagsplätze geschaffen werden. Da es bereits jetzt schwierig ist, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden, stellt sich die Frage, wie diese Lücke in den nächsten Jahren geschlossen werden kann.
Das Fachkräftegebot, das im Ganztagsförderungsgesetz festgeschrieben ist, legt besonderen Wert auf die Qualifikation des Betreuungspersonals. Nur ausgebildete Fachkräfte, beispielsweise in der Sozialen Arbeit oder Pädagogik, dürfen in den Ganztagsangeboten tätig sein. Dies stellt sicher, dass die Kinder nicht nur betreut, sondern auch pädagogisch gefördert werden (Deutscher Bundestag). Doch in vielen Regionen gibt es einen akuten Mangel an Fachkräften, der durch den gestiegenen Bedarf an Ganztagsbetreuung weiter zunehmen könnte.
Auswirkungen des Fachkräftemangels auf die Umsetzung
Der Fachkräftemangel könnte die Umsetzung des Rechtsanspruchs erheblich verlangsamen. Bereits jetzt wird in vielen Bundesländern über mögliche Verzögerungen diskutiert. So wurden die Fristen für den Ausbau der Infrastruktur bereits aufgrund von Pandemie- und kriegsbedingten Engpässen mehrfach verlängert. Ohne ausreichend Personal könnte es zu weiteren Verzögerungen kommen, was die Umsetzung des Rechtsanspruchs in einigen Regionen erschweren könnte.
Um diesem Problem entgegenzuwirken, sind verschiedene Maßnahmen in Planung. So setzt die Bundesregierung auf Anreize, um mehr Menschen für die Ausbildung in der Sozialen Arbeit zu gewinnen. Auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, etwa durch höhere Gehälter und flexiblere Arbeitszeiten, könnte helfen, mehr Fachkräfte in den sozialen Sektor zu bringen.
Chancen für die Soziale Arbeit
Trotz dieser Herausforderungen bietet der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung auch große Chancen für die Soziale Arbeit. Die engere Verzahnung von Schule und sozialpädagogischen Angeboten ermöglicht es Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Kinder über einen längeren Zeitraum intensiver zu begleiten und präventiv zu arbeiten. Besonders Kinder aus sozial benachteiligten Familien profitieren von der Ganztagsbetreuung, da sie hier Zugang zu Bildungs- und Freizeitangeboten erhalten, die ihnen sonst vielleicht verwehrt geblieben wären.
Darüber hinaus stärkt die Ganztagsbetreuung die Chancengleichheit und fördert die soziale Integration. Inklusionsmaßnahmen können durch die längere Betreuungszeit besser umgesetzt und auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder abgestimmt werden. Auch die Eltern werden entlastet, da sie ihre Berufstätigkeit besser mit der Betreuung ihrer Kinder vereinbaren können(FAMILIENPORTAL.NRW).
Ausblick
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026 stellt die Soziale Arbeit vor große Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Doch die Chancen, die sich durch die intensivere Betreuung und die Förderung von Kindern ergeben, sind enorm. Die Soziale Arbeit kann durch kreative Konzepte und eine verstärkte Kooperation mit Schulen und weiteren Akteuren dazu beitragen, dass der Rechtsanspruch erfolgreich umgesetzt wird und alle Kinder die gleiche Chance auf Bildung und soziale Teilhabe erhalten.
Quellen:
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
- Familienportal NRW(FAMILIENPORTAL.NRW)
- Deutscher Bundestag(Deutscher Bundestag)
Text: Daniela Voigt
Bildquelle: DALLE